Chronologie der Verfolgung von Jüdinnen und Juden, Sinti und Roma, Homosexuellen und behinderten Menschen in Paderborn (1933-1945)

01. April 1933: Boykott jüdischer Geschäfte. Gruppierungen bekleben und beschriften jüdische Geschäfte mit antisemitischen Parolen.

21. April 1933
: Gesetz über das Schlachten von Tieren. Jüdinnen und Juden müssen das rituelle Schlachten von koscheren Tieren unterlassen.

22. April 1933: Verordnung, die die Tätigkeit „nichtarischer Ärzte“ bei den Krankenkassen beendet und Neuzulassungen für rechtswidrig erklärt.

07. Juli 1933: Der Magistrat beschließt, dass von nun an die jüdische Gemeinde keine Unterrichtszuschüsse mehr erhält.

20. Februar 1934: Amtsgericht installiert „Erbgesundheitsgericht“. Es verordnet die Zwangssterilisation von angeblich rassisch nicht wertvollen Menschen. Die Zwangssterilisation ist eine wichtige Vorstufe der Ermordung von behinderten Menschen.

28. Juni 1934: SA-Angehörige schänden in der Nacht zum 29.06.1934 den jüdischen Friedhof an der Warburger Straße. 54 Gräber werden dabei zerstört.

09. Januar 1935: NS-Stadtrat Karl Seider untersagt allen Abteilungs- und Betriebsleitern der Stadtverwaltung den privaten Einkauf bei „nichtarischen“ Geschäften.

21. Mai 1935: Das Wehrgesetz arischer Abstammung wird zur Voraussetzung zum Wehrdienst. Zudem nehmen die „Juden-unerwünscht-Schilder“ an jüdischen Geschäften und Restaurants zu.

Juli 1935: Nach dem Liborifest kommt es zur einer Demonstration von SA-Leuten gegen Jüdinnen und Juden und den Katholizismus.

August/September 1935:Jüdische Getreidehändler werden vom Handel isoliert und ausgeschlossen.

 

15. Juni 1935: Der Bürgermeister untersagt den jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern das Baden im Kaiser Karls Bad.

24. August 1935: Nicht-Jüdinnen und Nicht-Juden, die nun in jüdischen Geschäften einkaufen, werden fotografiert und denunziert. Daraufhin werden einige aus ihren Ämtern entlassen.

15. September 1935: Der Reichstag beschließt die „Nürnberger Gesetze“. Darunter das „Reichsbürgergesetz“ und das „Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre“. Sie sind für die Ausschaltung der Jüdinnen und Juden aus allen öffentlichen Arbeitsverhältnissen und die Deklassierung der jüdischen Bürgerinnen und Bürger in ihren politischen Rechten verantwortlich. Verbindungen zwischen Juden und Nicht-Juden werden diskriminiert, zudem wird Jüdinnen und Juden die Ausreise erschwert.

01. Oktober 1935: Der Bürgermeister fordert von allen jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern eine Liste ein, die alle Personalien wie Name, Beruf, Geburtsdatum usw. aufführt.

14. November 1935: Alle jüdischen Beamten werden mit sofortiger Wirkung entlassen. Die Eheschließung zwischen Juden und Nicht-Juden wird verboten. Auch die jüdischen Kinder dürfen weder den gleichen Sportplatz noch die gleiche Kabine wie die nichtjüdischen Kinder benutzen.

23. Februar 1937: Zusätzlich zur Judenkartei müssen nun auch „jüdische Mischlinge 1. und 2.Grades“ aufgeführt werden.

04. Juni 1937: Der Bürgermeister fordert das Standesamt auf, ihm sofort mitzuteilen, wenn sich Jüdinnen oder Juden mit „jüdischen Mischlingen“ verheiraten. Hiermit werden auch die ersten Grundlagen der späteren Deportationen geschaffen.

28. März 1938: Die jüdische Gemeinde wird nun nur noch als rechtsfähiger Verein angesehen.

26. April 1938: Jede jüdische Mitbürgerin und jeder jüdische Mitbürger muss ihr bzw. sein Vermögen, sofern es über 5000 Reichsmark beträgt, offenlegen. Die Reichsbehörden haben nun die
Möglichkeit jederzeit den Vermögensstand der Jüdinnen und Juden zu kontrollieren.

14. Juni 1938: Jüdische Gewerbebetriebe müssen nun registriert und gekennzeichnet werden.
     
23. Juli 1938: Die Einführung einer Kennkarte für Jüdinnen und Juden ab dem 01.01.1939 wird beschlossen.

25. Juli 1938: Jüdische Ärzte dürfen nur noch als „Krankenbehandler“ für Jüdinnen und Juden agieren.

17. August 1938: Beschluss des Gesetzes, dass alle jüdischen Mitbürgerinnen ab 01.01.1939 den Beinamen „Sara“, alle jüdischen Mitbürger den Beinamen „Israel“ annehmen müssen.

27. September 1938: Verordnung über Streichung der Zulassung aller jüdischen Rechtsanwälte ab dem 30.11.1938.

01. Oktober 1928: Jüdinnen und Juden wird es verboten, als Vertreter und Agenten tätig zu sein.

05. Oktober 1938: Jüdinnen und Juden werden die Pässe entzogen, um sie mit einem „J“ zu kennzeichnen und anschließend wieder zurückzugeben.

28. Oktober 1938: Polnische Jüdinnen und Juden werden des Landes verwiesen. In Paderborn betraf es zum einen Familie Schirding, sowie drei Kinder des jüdischen Waisenhauses.

09. November 1938: In der Reichspogromnacht vom 09.11.1938 auf den 10.11.1938 werden die Synagoge wie auch jüdische Geschäfte und Wohnhäuser angezündet und zerstört. 62 Juden aus der Umgebung werden ins Konzentrationslager nach Buchenwald deportiert.

12. November 1938: Verordnung zur Ausschaltung der deutschen Jüdinnen und Juden aus dem Wirtschaftsleben. Ihnen wird der Besuch von Theatern, Kinos, Konzerten und anderen kulturellen
Veranstaltungen verboten.

15. November 1938: Jüdische Kinder dürfen von nun an nicht mehr auf öffentlichen Schulen gehen.
                   
28. November 1938: Polizeiverordnung über das Auftreten der Jüdinnen und Juden in der Öffentlichkeit : Einschränkung der Bewegungsfreiheit.

03. Dezember 1938: Jüdinnen und Juden wird der Führerschein entzogen. Gewerbebetreibende können zum Verkauf ihres Betriebes gezwungen werden. Der Verkauf von Schmuck wird ihnen ebenfalls verboten.

13. Dezember 1938: Verordnung über die Zwangsveräußerung (Arisierung) jüdischer Gewerbebetriebe.

30. Dezember 1938: Die letzten jüdischen Geschäfte und Firmen in Paderborn werden zwangsenteignet.  

 

17. Januar 1939: Durch die Verordnung, dass jüdische Zahnärzte, Tierärzte und Apotheker nicht mehr ihren Dienst ausführen dürfen, muss der Paderborner Tierarzt Dr. Blumenfeld in der Grunigerstraße 3 seine Tätigkeit einstellen.

 

23. September 1939: Jüdinnen und Juden werden die Rundfunkgeräte entzogen.

 

30. September 1940: Jüdinnen und Juden ist Folgendes verboten: die Verwendung  öffentlicher Fernsprecher, der Kauf von Printmedien, der Versand von Briefen ins Ausland, die Benutzung ihrer amtlichen Titel, der Aufenthalt in Warteräumen von öffentlichen Verkehrsbetrieben und der Friseurbesuch bei Nicht-Juden.

 

27. Oktober 1940: Eröffnung der Stadtbücherei. Dieses Gebäude in der Bachstraße 2 wurde zuvor von der jüdischen Familie Rosenbaum  zwangsenteignet.

 

31. Juli 1941: Erweiterung der Verbote für Jüdinnen und Juden: kein Anspruch mehr auf Kakao- und Schokoladenerzeugnisse, Spinnstoffe, Schuhe und Leder. Außerdem bekommen sie keine Lebensmittelsonderzuteilungen bei Fleisch, Kakaopulver, Butter und Reis mehr. Einkaufen dürfen sie nur von 11:00 Uhr bis 16:30 Uhr. In Paderborn wird diese Regelung für die Einkaufzeit erst am 27. November 1941 eingeführt.

 

23. Oktober 1941: Jüdinnen und Juden wird die Auswanderung untersagt.

 

10./13. Dezember 1941: Zum ersten Mal startet von Paderborn aus eine Deportation mit siebzehn Paderborner Jüdinnen und Juden. Auf dem Weg nach Riga kommen in Bielefeld weitere vierhundert jüdische Personen hinzu. Von Bielefeld aus erfolgte die Deportation am 13. Dezember 1941.

 

30./31. März 1942: Zweite Deportation aus Paderborn. 14 Paderborner Jüdinnen und Juden sowie 25 aus dem ehemaligen Kreis Büren mussten sich im ehemaligen jüdischen Waisenhaus sammeln, um dann vom Bahnhof ‚Kasseler Tor‘ nach Bielefeld und von dort am 31. März 1942 nach Hannover verbracht zu werden. Dort nahm der Transport die in der ehemaligen jüdischen Gartenbauschule Ahlem untergebrachten Jüdinnen und Juden auf. Im Rahmen dieses großen Sammeltransports mit etwa 700 Jüdinnen und Juden wurden die Paderbornerinnen und Paderborner nach Trawniki bei Lublin oder Warschau deportiert.

 

08. und 11. Juli 1942: Dritte Deportation aus Paderborn. Vier Jüdinnen und Juden wurden über Bielefeld wohl nach Theresienstadt oder Auschwitz deportiert.

 

28./31. Juli 1942: Vierte Deportation aus Paderborn. 36 Jüdinnen und Juden wurden am 28. Juli 1942 vom 'Kasseler Tor' nach Bielefeld verbracht und von dort am 31. Juli 1942 nach Auschwitz deportiert. Von Auschwitz aus gelangten sie in die Vernichtungslager Minsk, Treblinka, und Auschwitz-Birkenau. Die Paderborner Kriegschronik berichtet, dass in Paderborn bis Ende September 1942 die „Judenfrage ihre Lösung gefunden“ habe.

 

01./2. März 1943: (Fünfte) Deportation aus Paderborn. Die 99 Insassen des Lagers am Grünen Weg wurden am 1. März 1943 zunächst nach Bielefeld und am Folgetag nach Auschwitz deportiert. Bis auf neun Personen wurden dort alle ermordet. Bereits vorher wurden einzelne Personen aus dem Lager am Grünen Weg deportiert (fünf Jüdinnen und Juden am 9. Januar 1942, ein Eehepaar am 31. Juli 1942). Bis auf drei Partner aus sogenannten ‚Mischehen‘ waren nun alle Jüdinnen und Juden aus Paderborn vertrieben oder deportiert worden. Eine jüdische Gemeinde bestand nicht mehr. Die verbleibenden drei in ‚Mischehe‘ lebenden Paare Behmak, Herzheim und Sternheim wurden in das Haus Bachstraße 6 eingewiesen.

 

13. Februar 1945: Die letzten in ‚Mischehe‘ lebenden Jüdinnen und Juden sollen aus Paderborn verwiesen werden. Es gelang den Nationalsozialisten aber nicht mehr, alle Jüdinnen und Juden miteinzubeziehen. Aus Paderborn wurde lediglich Benno Behmark nach Theresienstadt deportiert. Er überlebte und kehrte im Juli 1945 nach Paderborn zurück.

 

Quellen:

Klaus Himmelmann (Hrsg.): Ortserkundung. Stätten der Nazi-Verfolgung in Paderborn. Paderborn 1994.

Margit Naarmann: Die Paderborner Juden 1802-1945. Emanzipation, Integration und Vernichtung (Paderborner Historische Forschungen, Nr. 1). Paderborn 1988.