Stolpersteine können für alle Personen verlegt werden, die Opfer der nationalsozialistischen Terrorherrschaft geworden sind. Eine mögliche Einteilung der Opfer in Gruppen ist umstritten. Die folgende Aufstellung soll lediglich einen Überblick darüber geben, welche Personengruppen aus welchen Gründen verfolgt wurden. Diese Aufstellung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

 

Jüdinnen und Juden

 

Unter Jüdinnen und Juden sind die Mitglieder der jüdischen Religionsgemeinschaft zu verstehen. Grundlage für den nationalsozialistischen Antisemitismus war die Rassenlehre, welche die Menschheit nach äußeren Merkmalen wie Haar- oder Hautfarbe in unterschiedliche ‚Menschenrassen‘ einteilte. Zudem herrschte die Meinung, dass einige Rassen anderen überlegen seien. Seit dem 19. Jahrhundert verbreitete sich die Ansicht verstärkt, die Mitglieder der jüdischen Religionsgemeinschaft seien eine eigene Rasse. Dieser wurden insbesondere durch die nationalsozialistische Propaganda vermehrt negative Eigenschaften zugeschrieben. Die nationalsozialistische Ideologie sah im ‚Judentum‘ eine ‚minderwertige Rasse‘, welche als Hauptfeind der ‚nordischen Rasse‘ zu sehen sei. Dementsprechend setzten bereits unmittelbar nach der Übernahme der Regierungsgewalt durch die Nationalsozialisten antijüdische Maßnahmen ein. Diese hatten zum Ziel, die jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger zu isolieren und zu verdrängen. Zunächst sollten die etwa 500.000 Jüdinnen und Juden, die 1933 im Deutschen Reich lebten, zur Auswanderung gedrängt und enteignet werden, ab 1939 wurden jedoch immer mehr Jüdinnen und Juden ermordet. So kam es bereits kurz nach dem Beginn des Zweiten Weltkriegs in Polen zu Massenerschießungen. Seit 1940 wurden Jüdinnen und Juden des Reiches und der eroberten Gebiete in Ghettos und Konzentrationslager deportiert, wo sie oftmals an Hunger, Kälte unbehandelten Krankheiten und Erschöpfung starben oder exekutiert wurden. Zum systematischen und zentral vorbereiteten Massenmord an den Jüdinnen und Juden gingen die Nationalsozialisten spätestens ab 1941 über. Hierzu wurden sogenannte ‚Vernichtungslager‘ an bereits bestehende Konzentrationslager angebaut oder ausschließliche ‚Vernichtungslager‘ erstellt. Dort wurden die Menschen durch Vergasung getötet und ihre Leichen verbrannt. Schätzungen zur Folge wurden zwischen 1939 und 1945 etwa 6 Millionen Jüdinnen und Juden durch die Nationalsozialisten ermordet. Dieser Völkermord wird heute als ‚Holocaust‘ oder treffender durch die Jüdinnen und Juden selbst als ‚Shoa‘ bezeichnet.

 

 

Sinti und Roma

 

Sinti und Roma ist eine Bezeichnung für eine in Europa lebende Minderheitsgruppe, die sich kulturell durch eine starke Heterogenität auszeichnet. Ursprünglich entstammen die Sinti und Roma aus Indien und Pakistan, von wo aus sie spätestens im späten Mittelalter nach Europa einwanderten. Die Geschichte der Sinti und Roma in Europa ist regional sehr vielfältig. Als Sprache pflegen die Sinti und Roma das sogenannte ‚Romanes‘, welches viele Sinti und Roma aufgrund der gesellschaftlichen Ausgrenzungen jedoch abgelegt haben. Die Nationalsozialisten sahen in den Sinti und Roma auf Grundlage der Rassenlehre ‚minderwertige‘ Menschen, deren Existenz und Lebensform ein gesellschaftliches Problem darstelle. Hauptsächlich verfolgten die Nationalsozialisten die Nomaden unter den Sinti und Roma, ihr Schicksal glich dem der Jüdinnen und Juden. Viele der 44.000 im Reich lebenden Sinti und Roma wurden nach Kriegsausbruch in Konzentrationslager deportiert und ermordet. Die Zahl der zwischen 1939 und 1945 getöteten europäischen Sinti und Roma wird auf 90.000 bis 150.000 geschätzt.

 

 

Zeugen Jehovas

 

Die Zeugen Jehovas sind eine religiöse Glaubensgemeinschaft, deren Mitglieder ihr Leben konsequent an der Bibel ausrichtet. Ihre Auslegung der Bibel unterscheidet sich hierbei in vielen Punkten von denjenigen anderer christlicher Gemeinschaften. Aufgrund dieses einzigartigen religiösen Glaubens, aber insbesondere wegen ihrer konsequenten Verweigerung des Dienstes an der Waffe, der Verweigerung des ‚Führerkultes‘ um Adolf Hitler sowie der Nicht-Teilnahme an staatlichen Feiertagen wurden die Zeugen Jehovas von den Nationalsozialisten verfolgt. Zahlreiche Mitglieder der Glaubensgemeinschaft wurden verhaftet und in Konzentrationslager gebracht. Dort sollten die Zeugen Jehovas im Gegensatz zu Jüdinnen und Juden oder Sinti und Roma zwar nicht systematisch vernichtet werden, dennoch starben viele von ihnen durch Schwerstarbeit, Misshandlung, Krankheit oder Unterernährung. Zeugen Jehovas, die auf freiem Fuß lebten und trotz Verbotes missionarisch tätig waren, wurden mitunter hingerichtet. Ab 1942 erhöhten sich die Überlebenschancen der Zeugen Jehovas in den Konzentrationslagern, da sie aus Ermangelung anderer erfahrener Häftlinge ab dato in der Häftlingsselbstverwaltung oder Lagerbewirtschaftung tätig werden konnten. Von den etwa 25.000 bis 30.000 Zeugen Jehovas, die 1933 im Deutschen Reich lebten, wurden bis 1945 circa 11.300 in Konzentrationslagern inhaftiert. Insgesamt wurden etwa 1.500 Personen in dieser Zeit von den Nationalsozialisten ermordet.

 

 

Homosexuelle

 

Bis 1933 gab es in den großen Städten des deutschen Reiches eine recht lebhafte Homosexuellenszene. Diese wurde zu Beginn der nationalsozialistischen Herrschaft weitgehend geduldet, was auch maßgeblich an der Freundschaft zwischen Adolf Hitler und dem mehr oder weniger bekennenden Homosexuellen Führer der SA, Ernst Röhm, lag. Die deutschen Homosexuellen hegten sogar die Hoffnung, dass die neue Regierung den § 175 des Strafgesetzbuches abschaffen würde, der seit 1872 für Homosexualität zwischen Männern eine Gefängnisstrafe vorsah. Dazu kam es nicht, vielmehr verkehrte sich die Situation ins Gegenteil. 1934 wurde Ernst Röhm aufgrund wirtschafts- und machtpolitischer Gründe gemeinsam mit der Führungsriege der SA auf Weisung Hitlers ermordet, was gleichzeitig eine Zäsur in der Behandlung der Homosexuellen im Reich zur Folge darstellte. Es setzten sich nun jene Nationalsozialisten durch, die Homosexualität als Bedrohung für den Staat empfanden. Diese Ansicht fußte unter anderem darauf, da Homosexuelle wegen ihrer Kinderlosigkeit keinen Beitrag zur Volksgemeinschaft erbringen würden. So wurde 1935 auch § 175 des Strafgesetzbuches modifiziert und die Strafe verschärft. Da Homosexualität damals als heilbare Krankheit angesehen wurde, wurden viele Homosexuelle als ‚erzieherische Maßnahme‘ in Konzentrationslagern inhaftiert. Zwischen 1933 und 1945 wurden etwa 50.000 Homosexuelle verurteilt, davon etwa 15.000 in Konzentrationslagern eingesperrt. Insgesamt wurden während des Dritten Reiches mehrere Tausend Homosexuelle von den Nationalsozialisten getötet.

 

 

Krankenmorde

 

Der Umgang der Nationalsozialisten mit kranken Menschen geht auf die Idee der Eugenik bzw. Erbgesundheitslehre zurück, die bereits im 19. Jahrhundert entwickelt wurde und deren Ziel es war, den Anteil negativ bewerteter Erbanlagen in einem Gen-Pool zu verringern. So sollte im Rahmen der ‚Rassenlehre‘ die Eigenschaften einer ‚Rasse‘ nach und nach ‚verbessert‘ werden. Diese Ideen nahmen die Nationalsozialisten auf und verabschiedeten bereits 1933 Verordnungen zur Ausgrenzung und Vernichtung kranker Menschen wie beispielsweise das ‚Gesetz zur Verhütung erbranken Nachwuchses‘ vom 14. Juli 1933. 1935 wurde durch eine Änderung dieses Gesetzes ein Schwangerschaftsabbruch bei Diagnose von Erbkrankheiten legalisiert und im Rahmen eines anderen Gesetzes die Eheschließung von Menschen mit und ohne Erbkrankheit oder geistiger Behinderung verboten. Bis 1945 wurden die Maßnahmen gegen kranke Menschen im Sinne der ‚Rassenhygiene‘ weiterhin verschärft und auf Kinder und Erwachsene ausgeweitet. Aufgrund ihrer Erkrankungen, die nicht weitervererbt werden sollten, wurden bis zu 400.000 Männer und Frauen zwangssterilisiert. Ab 1939 wurde nicht mehr nur noch die Fortpflanzung kranker und behinderter Menschen erschwert, sondern die Nationalsozialisten gingen dazu über, kranke Menschen verstärkt direkt zu töten. Im Rahmen der Kinder-Euthanasie wurden bis 1945 mindestens 5.000 erbkranke sowie kognitiv oder körperlich beeinträchtigte Kinder und Säuglinge in 30 Kinderfachabteilungen getötet. Ab 1940 weitete man die Morde auch auf erwachsene Menschen aus. Im Rahmen der sogenannten Aktion T4 wurden bis Kriegsende mehr als 70.000 Menschen mit körperlichen, geistigen und seelischen Behinderungen ermordet. Hierzu wurden auf dem Gebiet des Deutschen Reiches sechs Tötungsanstalten zur ‚Vernichtung lebensunwerten Lebens‘ errichtet. Zudem kam es in Kranken- und Haftanstalten zu Menschenversuchen. Insgesamt ermordeten die Nationalsozialisten zwischen 1933 und 1945 durch Vergasung, Giftinjektionen oder Unterernährung etwa 216.000 Menschen mit geistiger oder körperlicher Behinderung, Kranke, Autisten und Kinder, die als „Idioten“ eingestuft wurden.

 

 

Politisch Verfolgte

 

Als ‚politisch Verfolgte‘ sind alle Menschen zu verstehen, die wegen ihrer politischen Einstellung und Ansichten sowie unangepasster Verhaltensweisen mit den Nationalsozialisten in Konflikt gerieten. Hierzu zählen sowohl Einzelpersonen als auch Mitglieder einer Vielzahl von Parteien, Organisationen und sozialer Gruppen. Unmittelbar nach der ‚Machtübernahme‘ begannen die Nationalsozialisten, die politische Opposition zurückzudrängen. Die ersten Opfer stammten aus dem linken Milieu. So wurden Kommunisten, Sozialdemokraten und Gewerkschaftler verhaftet und mitunter in Konzentrationslagern inhaftiert. Mehrere hundert Inhaftierte wurden ohne Gerichtsurteil ermordet. In der sogenannten ‚Schutzhaft‘ waren sie der staatlichen Willkür ohne jeden Rechtsbeistand ausgeliefert. Alsbald folgten Personen christlich-konservativer Ausrichtung. Als ‚politische Verfolgung‘ ist auch das Vorgehen gegen Gruppen oder Einzelpersonen des Widerstands zu verstehen. Im Zuge des Zweiten Weltkriegs galten auch solche Handlungen wie das Hören ausländischer Radiosender oder der Umgang mit Kriegsgefangenen als politische Delikte, die gewaltsam verfolgt wurden. Über die genauen Zahlen der Menschen, die im Nationalsozialismus unter politischer Verfolgung zu leiden hatten, besteht keine abschließende Klarheit, Schätzungen belaufen sich auf etwa 130.000 Personen.

 

 

Mitglieder der christlichen Kirchen

 

Das Verhältnis zwischen den großen christlichen Kirchen in Deutschland und dem nationalsozialistischen Regime war ambivalent. Einerseits waren sich die neuen Machthaber bewusst, dass ein Machterhalt nicht gegen den Widerstand der beiden großen christlichen Kirchen durchzusetzen war, andererseits beabsichtigten die Nationalsozialisten, im Sinne der Gleichschaltung auch den religiösen Bereich zu infiltrieren und den kirchlichen Einfluss in der Gesellschaft größtmöglich einzudämmen. In diesem Sinne etablierte sich in der protestantischen Kirche mehr und mehr die nationalsozialistische ‚Glaubensbewegung der deutschen Christen‘. Gegen diese formierte sich ab 1934 die ‚Bekennende Kirche‘ als Gegenpol, nicht zuletzt, da die ‚Glaubensbewegung der deutschen Christen‘ den ‚Arierparagraphen‘ befürwortete und das Alte Testament als ‚jüdisch‘ verwerfen wollte. Die ‚Bekennende Kirche‘ wertete das Regime als Widerstand und verfolgte sie und ihre Anhänger. Entgegen der protestantischen Kirche arrangierte sich die katholische Kirche zunächst mit den neuen Machthabern. Zeichen dieses Arrangements war das Reichskonkordat mit dem Vatikan vom 20. Juli 1933. Dieses beendete zwar den politischen Katholizismus in Deutschland, sicherte der katholischen Kirche aber Bekenntnisfreiheit, institutionelle Selbstverwaltung und das Fortbestehen der Bekenntnisschulen zu. Nachdem das deutsche Episkopat allerdings feststellte, dass das Konkordat vermehrt gebrochen wurde und dahingehende Beschwerden ohne Erfolg blieben, reagierte Papst Pius XI. mit der Enzyklika ‚Mit brennender Sorge‘. Dieser päpstliche Protest hatte eine verstärkte Verfolgung katholischer Geistlicher zur Folge. So wurden verschiedene katholische Organisationen unterdrückt und katholische Priester eingesperrt und mitunter ermordet. Viele Geistliche flüchteten ins Ausland. Mit Beginn des Zweiten Weltkriegs kam es zu einer Art Burgfrieden zwischen der katholischen Kirche und den Nationalsozialisten. Vereinzelt kam es zu Protesten gegen die unmenschlichen Vorkommnisse in Nazideutschland, insbesondere gegen die Euthanasie, zum Umgang mit Jüdinnen und Juden schwieg die katholische Kirche jedoch gänzlich, was sie nach Ende des Krieges bedauerte.

 

 

‚Asoziale‘

 

Unter dem Begriff ‚Asoziale‘ verstanden die Nationalsozialisten Menschen, die als sozial minderwertig einzustufen seien. Hierunter waren jene Menschen zu verstehen, die nicht in das Weltbild der Nationalsozialisten passten, wobei sich die Ansicht, wer ‚asozial‘ sei, im Laufe der Zeit wandelte. Generell finden sich unter den ‚asozialen‘ Häftlingen in Konzentrationslagern Personen, die als ‚Berufs-, Sittlichkeits- und Gewohnheitsverbrecher‘, ‚Arbeitsscheue‘ sowie generell als ‚asoziale Elemente‘ bezeichnet wurden. Hierunter sind im nationalsozialistischen Sinne auch Bettler, Landstreicher, Alkoholiker und Prostituierte zu verstehen. Bereits 1933 wurden durch die Nationalsozialisten Personen festgenommen, welche ‚die öffentliche Ordnung gefährdeten‘ und in Konzentrationslager zwecks ‚Umerziehung‘ untergebracht. Bereits frühzeitig galten insbesondere für Verbrecher ‚Vorbeugehaftbestimmungen‘, die in der Folge schrittweise ausgedehnt wurden. 1937 wurde die Vorbeugehaft auch auf Menschen ausgedehnt, welche ‚durch asoziales Verhalten die Allgemeinheit‘ gefährden würden. Im Rahmen der Aktion ‚Arbeitsscheu Reich‘ kam es im Juni 1938 zu landesweiten Verhaftungswellen, bei denen alleine 10.000 Menschen im Deutschen Reich verhaftet wurden. Die meisten Gefangenen wurden in Konzentrationslager überstellt, wo sie mitunter an Hunger, Entkräftung oder unbehandelten Krankheiten starben. Wie viele Menschen, die von den Nationalsozialisten als ‚asozial‘ betitelt wurden, letztlich starben, ist ungewiss, nicht zuletzt deshalb, weil die wenigsten Opfer überhaupt bekannt sind.

 

 

Kriegsgefangene

 

Im Zuge des Zweiten Weltkriegs wurden durch die Wehrmacht oder andere kriegsbeteiligte Verbände alliierte Soldaten oder Zivilpersonen in den umkämpften und besetzten Gebieten verhaftet. Nicht selten wurden diese Menschen als Zwangsarbeiter in Rüstungsbetrieben und der Privatwirtschaft eingesetzt und je nach Einsatzort innerhalb des Reiches und der besetzten Gebiete verschleppt. Am Einsatzort lebten die Kriegsgefangenen meist in Lagern, in denen sie oftmals unter desaströsen Bedingungen im Freien kampieren mussten. Die Nationalsozialisten ließen ihnen kaum medizinische Versorgung und eine unzureichende Ernährung zukommen, die hygienischen Bedingungen waren oftmals katastrophal. Sowjetische Kriegsgefangene wurden mitunter auch in Konzentrationslager eingewiesen und dort ermordet. Zwischen 1941 und 1945 gerieten mehr als 5 Millionen sowjetische Soldaten in deutsche Kriegsgefangenschaft, 3,3 Millionen von ihnen kamen dabei um. Im Gegensatz zu den Kriegsgefangenen aus dem Osten wurden die westalliierten Kriegsgefangenen vergleichsweise gut behandelt, die Verhältnisse in den Lagern stellten sich deutlich besser dar. Im Laufe des Krieges wurden etwa 232.000 US-amerikanische, kanadische und britische Soldaten in deutschen Kriegsgefangenenlagern inhaftiert, von diesen überlebten circa 8.000 nicht.